Es sei ihr alles ganz klar, sagt sie. Auch wisse sie ganz genau, was jetzt zu tun sei. Man müsse es nur anpacken. Sie schiebt ihre Hände im Sessel unter ihre Oberschenkel. Ich überlege, ob dies ein unbewusstes Zeichen einer Inkongruenz sein könnte. Vielleicht ist es so auch einfach gemütlicher, denke ich, während ich weiter ihren Worten und ihrer Körpersprache lausche.
Frida erzählt mit großen Augen und wachem Blick von ihrer Lage. Sie habe ein Abgrenzungsproblem, sagt sie. Das wisse sie aus einer Psychotherapie. Es passe auch alles ganz wunderbar zusammen. Sie leide unter einem chronischen Hautausschlag. Und die Haut sei ja ein Abgrenzungsorgan. Sie müsste einfach nur öfter „Nein“ sagen, mehr ihre eigenen Bedürfnisse leben, „alle Fünfe auch mal gerade“ sein lassen, es aushalten, dass Arbeit mal liegen bleibt und öfter meditieren. Das wisse sie alles. Sie gehe viel zu oft über ihre Grenzen, sagt sie. Im Durchhalten habe sie Übung. Doch habe sie immer öfter Migräne. Die Ärzte können ihr nicht helfen. Sie sei sich ganz sicher, dass es ihr sofort bessergehen würde, wenn sie ihre Grenzen achten und sich mehr um sich selbst kümmern würde. Doch auch wenn ihr dies alles ganz klar sei – irgendetwas halte sie davon ab.
Frida ist mir sympathisch. Sie redet schnell und scheint sehr reflektiert. Es wirkt, als wäre sie „viel im Kopf“. Ich frage Frida, ob
sie eine Idee habe, was dieses „irgendetwas“ sein könnte. Ja, sagt sie. Sie versuche den unterschiedlichen Rollen gerecht zu
werden: als Kollegin, Mitarbeiterin, Vorgesetzte. Und im privaten sei sie genauso perfektionistisch. Sie werde ihren eigenen hohen Ansprüchen nicht mehr gerecht, doch wenn sie die zu reduzieren versuche, quäle sie ihr schlechtes Gewissen. Sie könne sowieso nicht abschalten, bevor nicht alles erledigt sei.
Was sie sich wünsche, frage ich. Frida überlegt. Sie möchte, dass das „irgendetwas“, welches sie vom Grenzen setzen abhalte, verschwindet. Ihr schlechtes Gewissen könne gleich mitgehen. Und das viele Nachdenken auch. Sie könne ihr eigenes inneres
Geplapper nicht mehr hören. Sie blickt mich herausfordernd an: deswegen sei sie ja hier. Der innere Druck, den sie verspürt, überträgt sich auf mich. Frida beginnt zu lachen, ich stimme ein und Anspannung löst sich.
Ob sie sich vorstellen könne, dass dieses „irgendetwas“ eine positive Absicht verfolge, frage ich sie. Nein, sagt sie, das sei undenkbar. Wie wahr, kommt mir in den Sinn...
Lesen Sie hier die ganze Geschichte von Frida, die im Junfermann-Verlag in einem Artikel der Zeitschrift "Kommunikation & Seminar" (01/2019) erschienen ist:
Viel Freude beim Schmökern.