Ganz ich selbst sein – aber wer ist das?
Manchmal werde ich gefragt: „Was ist das Geheimnis Deiner guten Laune und des Glücklichseins?“
Ehrlich gesagt fällt meine Antwort jedes Mal anders aus – je nach Tagesform, Lebensphase, Befinden, Stimmung, Kontext und Gegenüber. Vielleicht ist es auch jeden Tag etwas anderes, was es braucht, um mich wohlzufühlen. Wahrscheinlich gibt es die eine richtige Antwort nicht, die sich stabil über alle Phasen hinweg hält. Bei den wirklich großen und schwerwiegenden Herausforderungen in meinem Leben, konnte ich immer erst hinterher sagen, was es war, das mir da durchgeholfen hat.
Eine Methode nutze ich schon sehr lange – mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. Früher nannte ich es „positives Denken“, bis ich selbst den Satz „Positives Denken ist wie Sahne über Scheiße gießen!“ nachempfinden konnte. So nannte ich es später „Dankbarkeit“. Dankbarsein für den Sonnenschein, für Freundschaften, für das Lächeln des Nachbarn, für all die tausend Dinge, die mir so selbstverständlich erscheinen, je länger sie in meinem Leben weilen.
Bei leichteren Verstimmungen funktioniert das bei mir wunderbar, in größeren Krisen nur so mittelprächtig. Es verbessert meinen Zustand, ja. Doch im Inneren fühlt es sich weiterhin noch aufgewühlt oder einfach nicht stimmig an.
Mir ist aufgefallen, dass Dankbarsein für alles, was mich umgibt, oft die Wahrnehmung der Umstände positiv verändert – und dadurch auch in gewisser Weise meinen Zustand. Wo es dabei allerdings noch Potenzial gab, war dabei die Wahrnehmung meiner selbst.
Also habe ich die Übung des Dankbarseins auf mich selbst bezogen:
- Wo habe ich es heute gut gemacht?
- Wo war ich heute freundlich oder sogar liebevoll mit mir?
- Worauf bin ich stolz?
Hierbei ist es für mich wichtig nicht nur auf offensichtliche Stärken abzuzielen, sondern auch (vermeintliche) Schwächen miteinzubeziehen. Z.B.: „Ich bin stolz, dass ich mir heute erlauben konnte meinen Standpunkt gegenüber meinem Kollegen deutlich zu vertreten und mit mir auch dann freundlich geblieben bin, als ein Anteil im Nachhinein die Art und Weise als nicht gerade sehr professionell empfand.“
Bei meinen Klienten fällt es mir leicht „Fan“ zu sein. Fan von Ihrem Weg, Fan von Ihrem Sein, Fan von Ihren Stärken und Schwächen. Bei mir selbst fällt es mir schwerer.
Diese Übung des auf mich selbst bezogenen Dankbarseins unterstützt mich sehr dabei, ein bisschen mehr Fansein auch in die Beziehung zu mir selbst einzuladen. Das macht mir gute Laune – immer dort, wo es mir mehr und mehr gelingt.
Was die Frage des Glücklichseins betrifft, habe ich noch keine Antwort gefunden, obwohl ein Anteil in mir sich so unbedingt dringend eine Antwort und feste, krisensichere Strategie wünscht. Es ist ein Reiten auf den Wellen des Lebens, mit dem dazugehörenden Auf und Ab.
Das darf Spaß machen. Das darf Angst machen. Das darf ich lieben. Das darf ich verfluchen. Vor allem darf ich das so machen, wie ich gerade bin: ganz ich selbst.
Von meinen Klienten höre ich oft: „Woher weiß ich denn, was ganz-ich-selbst-sein-ist? Ich weiß gerade weder, was ich will noch was für mich richtig und falsch ist…“
Auf diese Frage habe ich natürlich auch keine Antwort. Doch immerhin kann ich hier eine Strategie teilen, die für mich schon eine ganze Weile und sehr konstant wunderbar funktioniert (was mein Strategien und Sicherheit-liebender innerer Kontrolletti ganz, ganz großartig findet). Diese Strategie möchte ich hier gerne teilen und zum Ausprobieren einladen:
1. Zur Ruhe kommen.
2. Intuition befragen.
3. Vorstellungskraft fließen lassen.
In dem Buch „Ungezähmt“ von Glennon Doyle habe ich entdeckt, dass bei ihr eine sehr ähnliche Strategie gut funktioniert: Fühlen – Wissen - Imaginieren.
Vielleicht gibt es Aspekte, die daran für viele gut passen können.
Bei mir läuft das ganz konkret wie folgt ab:
1. Zur Ruhe kommen.
Ich gehe über eine Selbsthypnose (ich liiieeebe es) in Trance. Dadurch tritt das Alltagsbewusstsein in den Hintergrund, so dass das Selbst zum Vorschein kommt. Es ist ein sich sinken lassen in mich selbst. Auch die Gehirnwellen sinken dabei vom Frequenzbereich Beta in Alpha oder sogar Theta. (Übrigens im Gegensatz zur klassischen Zen Meditation, welche eine Erhöhung des Bewusstseins und damit auch der Gehirnwellen in Gammabereiche zur Folge hat).
Durch dieses Sinken-lassen komme ich in Kontakt zu mir selbst. Trance als Tor zum Selbst. Manche nennen das, was ich hier als Selbst bezeichne, auch Unterbewusstsein (ich auch in meinen Hypnosekursen), innere Weisheit, Bauchgefühl, Intuition und vieles mehr. Aus meiner Sicht ist es nicht wichtig, welcher Begriff gewählt wird. Es geht vielmehr um das Gefühl dabei. In diesem Zustand wird es ganz still im Kopf und friedlich im Herzen.
2. Intuition befragen.
Nun kann ich meine Intuition, mein inneres Wissen befragen. Vielleicht stelle ich eine bestimmte Frage. Vielleicht steht eine konkrete Entscheidung an und ich möchte wissen, welchen Weg ich wähle. Vielleicht möchte ich auch wissen: „Wie bin ich, wenn ich ganz ich selbst bin? Hier bekomme ich oft Impulse, die mein Verstand nicht unbedingt versteht. Muss er auch nicht. Es ist okay. Ich lausche in mich hinein und folge einfach innerlich den Impulsen.
3. Vorstellungskraft fließen lassen.
Die Vorstellungskraft ist in meiner Arbeit in der Hypnosepraxis aus meiner Erfahrung der größte Wirkfaktor. Ich darf immer wieder miterleben, wie Klienten, die sich begeistert vorstellen können, dass sich durch die Hypnose ihr „Problem“ auflöst und sie sich diesen Zustand „ohne“ innerlich bunt ausmalen können, wahre Wunder an Veränderung und Heilung erfahren. Dagegen zeigen sich bei Klienten, die sich ihr Leben ohne das „Problem“ nicht vorstellen können, die Veränderungen oftmals eher sehr kleinschrittig.
Aus eigener Erfahrung kenne ich sehr gut wie es ist, wenn der Verstand als Zweifler dazwischenfunkt und mir die schöne Imagination verdirbt. Er liefert lauter gute Argumente und erklärt, warum dieses und jenes bisher auch nicht funktioniert hat oder es erfahrungsgemäß alles diesmal viel komplexer ist und Veränderung viel Zeit braucht und anstrengend zu sein hat.
Glennon Doyle (ja, schon wieder erwähnt, ich mag sie gerade sehr) beschreibt es so:
„Aber es geht hier nicht um den Verstand, denn der wurde von unserer Konditionierung verdorben. Um über unsere Konditionierung hinauszugelangen, müssen wir unsere Phantasie aktivieren. Unser Verstand ist auf Ausreden spezialisiert, unsere Phantasie auf Geschichten. Anstatt uns zu fragen, was richtig und was falsch ist, müssen wir uns die Frage stellen: Was ist wahrhaftig und schön?“
Meine Vorstellungskraft fließen zu lassen und mir auszumalen, wie es sein könnte oder Geschichten dazu zu erzählen als wäre es bereits wahrhaftig und schön, bewirkt auch bei mir kleine Wunder. Da, wo es funktioniert. Da, wo Leichtigkeit und Spaß agiert.
In Bereichen, in denen ich mir ganz unbedingt dringend eine Veränderung wünsche, also aus Druck und Angst heraus, funktioniert es bei mir nicht gut.
Aktuell gibt es bei mir einen Lebensbereich, wo es nicht rund läuft. Hier erlebe ich Druck. Dieser innere Druck ist manchmal so stark, dass ich es auch körperlich spüre. Es hängen einige behindernde Glaubenssätze damit zusammen, von denen ich glaubte sie seien schon aufgelöst. Doch irgendwie hängt noch eine Spur davon im System. Diese drehen sich um Erwartungen und beginnen mit „man muss“, „man sollte“, „man darf nicht“, etc. Dahinter stecken Ängste und davor der Wunsch ganz unbedingt total schlau, super schön, mega interessant, grandios liebenswert, famos besonders und am besten eine Bereicherung für jedes Lebewesen im Universum sein zu können.
Wie ich mit dem Druck umgehe, wo ich ihn annehme, wo wegdrücke, wann mich ablenke, um ihn nicht zu spüren, was sich mein Körper einfallen lässt, damit ich wieder hinspüre und wann sich der Druck auflöst, ist ein anderes Thema und könnte einen eigenen Beitrag füllen.
Wenn ich so darüber nachdenke, fällt mir auf, dass es auch hier so ist, dass der „innere Zweifler“ dazwischen funkt und ich es mir irgendwie doch nicht ganz so vorstellen kann, wie es auch hier schön und wahrhaftig wäre.
Ich erzähle zum Thema Imagination gerne die Geschichte von einer Aufgabe, die ich mit ca. 20 Jahren gestellt bekommen habe. Diese lautete:
„Welche 10 Ziele hältst Du in Deinem Leben für unerreichbar?“
Diese Aufgabe bin ich damals spielerisch und mit Humor angegangen und habe 10 für mich total unrealistische Ziele aufgeschrieben. Diesen Zettel habe ich in ein Tagebuch gelegt (man sollte ihn wegpacken) und vergessen. Erst 20 Jahre später ist er mir beim Ausmisten in die Hände gefallen.
Und ich war sprachlos – 9 von 10 Zielen waren mittlerweile erreicht.
Mit 20 Jahren war es für mich einfach eine Fantasterei – eine Geschichte, die ich gesponnen habe, wie sich mein Leben unter anderen Umständen hätte entwickeln können. Die Wiederentdeckung des Zettels hat mich nachhaltig beeindruckt.
Bis heute schreibe ich daher in mein Journal immer wieder Geschichten darüber, wie es sich in irgendeinem Bereich, in welchem ich mir Veränderung wünsche, sein würde, wenn es wahrhaftig und schön wäre.
Letztendlich ist es auch das, was ich in der Hypnosearbeit tue:
Ich begleite Klienten dabei, zur Ruhe zu kommen und im Kontakt mit sich selbst Geschichten zu erzählen und innerlich mit allen Sinnen zu erleben, wie es ist, wenn es im Bereich des Anliegens einfach schön und authentisch wäre.
Der Zustand der Trance scheint hierbei wie ein Verstärker des Veränderungsprozesses zu wirken, so dass sich die sinnlich vorgestellten Qualitäten schon kurz nach der Sitzung beginnen im Leben zu entfalten.
Hypnose ist damit für mich ein sehr wirkungsvoller Weg dieses „ganz ich selbst sein“ zu erforschen und leben zu können.
Das bedeutet aus meiner Erfahrung nicht, dass das Leben zur seichten, ruhigen See wird. Es wird weiterhin Wellen geben – mal angenehm kleine, mal beängstigend hohe. Doch für mich gibt es diese Strategie von „zur Ruhe kommen – Intuition befragen – Vorstellungskraft fließen lassen“, welche mir hilft, die Wellen zu reiten und dabei ganz mein ich selbst sein in die Welt zu bringen. Schön und wahrhaftig.
Und manchmal falle ich, strauchle und klatsche mit einem wenig anmutigen riesengroßen Bauchklatscher ins stürmisch-wilde Wasser. Strampelnd. Prustend.
Und irgendwie ist auch das wahrhaftig. Lebendig und echt.